Kennen Sie noch den guten alten „Tante-Emma-Laden“? Der kleine Händler an der Ecke mit dem Gemischtwaren-Sortiment, bei dem es mehr gab als nur die Ware: Das Schwätzchen über das Neueste aus dem Viertel – und eine exzellente Beziehungspflege. Außerdem wusste Tante Emma
stets um die besonderen Geschmäcker ihrer Kunden.
Und auch Großhandelsvertreter Müller wusste bestens über seine Einkäufer Bescheid: Gratulation zum Geburtstag, vielleicht sogar mit Blumenstrauß oder einer passenden Flasche Wein. Der letzte Urlaub des Kunden, der Schuleintritt des Jüngsten, Freizeitinteressen und selbst Krankheitsgeschichten durften angesprochen werden. Mithilfe von Karteikarten schaffte Herr Müller es, bei vielen hundert Kunden derartige Details im Kopf zu behalten. Später wurden auf dem Computer Notizen aus wöchentlichen Verkaufsreports gespeichert und mit der Tou renplanung einer Woche ausgedruckt: „Beziehungen pflegen“, lautet das Zauberwort bei Tante Emma wie bei Herrn Müller.
Clevere Kontaktpflege
Je mehr Kontakte, Interessenten und Klienten Sie haben, desto gesicherter kommen Aufträge wieder nach. Das belegt
das Gesetz der großen Zahl, umgangssprachlich: „Wer hat, dem wird gegeben!“ Deshalb halten viele Freiberufler bewusst Augen und Ohren offen. Nehmen Sie zum Beispiel eine Bahnfahrt: Sie kommen mit einem Mitreisenden ins Gespräch: aufgrund einer Verspätung, des besonders guten Service oder eines Buches. Nun ist der Zielbahnhof erreicht. It´s so easy – einfach Visitenkarten tauschen – und schon haben Sie einen neuen Kontakt.
Wie aus Kontakten Kontrakte werden
Reisen Sie nach Möglichkeit mit der Bahn oder dem Flugzeug, weil Sie so leichter Kontakt zu anderen Menschen bekommen als bei einer Reise mit dem Auto. Versuchen Sie, alles Relevante aufzunehmen und so aufzubereiten, dass „im Fall des Falles“ aus einem Kontakt ein Kontrakt werden kann. Gehen Sie dabei am besten so vor:
Kontakt annehmen, z. B. durch den Austausch von Visitenkarten.
Kontakt bestätigen, z. B. per E-Mail und/oder durch Kontaktaufnahme via XING.
Kontakt ins „Customer Relationship Management“ (CRM) aufnehmen: Das kann auch Xing (www.xing.de) oder Pulse (www.plaxo.com, Ihr virtuelles Adressbuch) sein.
Im CRM Bewertungen vornehmen: wann, bei welcher Gelegenheit kennengelernt, mit wem in Verbindung bringen usw.
Im CRM chronologisieren: Wiedervorlage wann, also konkret datieren oder Frequenz eingeben, etwa „alle drei Monate ansprechen“, zu Termin einladen usw.
Bauen Sie eine Kundenbewertung auf, indem Sie Kontakte und/oder Kunden nach quantitativen und/oder qualitativen Kriterien ranken:
A-Kunden sind die Kunden mit dem höchsten Wert: Die Auftragswahrscheinlichkeit ist sehr hoch und Sie haben mit allen notwendigen Gesprächspartnern verhandelt.
B-Kunden liegen deutlich darunter: Hierzu können Messe-Kontakte zählen oder z. B. alle Interessenten zwischen sechs und zwölf Monaten.
C-Kunden sind eher „Hoffnungskunden“: Der letzte Auftrag liegt z. B. schon länger als zwei Jahre zurück.
Sobald die erste Vorarbeit erledigt ist, kommen aus der Wiedervorlage immer nur kleine Portionen, die Sie durchaus nebenbei bearbeiten können. Es bleibt Ihnen vorbehalten, eine Wiedervorlage zu verschieben – oder sich Kontakte früher als geplant herauszugreifen, weil ein bestimmtes Thema akut wird, das für diesen Kontakt (aus der oben erwähnten Bahnfahrt) relevant sein könnte. Wenn Sie Ihre Kontakte zudem „taggen“, also mit Finde-Stichwörtern versehen (z. B. „Bahn“, „Buch“, „Messe“ und natürlich fachlich relevante Themen) erweitern Sie Ihre Möglichkeiten. Und wie behalten Sie mehr und mehr Kontakte „im Griff“?
Kommerzielle Softwarelösungen
Tatsächlich gibt es mehr oder weniger aufwändige Software, mit deren Hilfe Sie relevante Daten verwalten können: Die Datenbank-Software „cobra“ bietet beispielsweise auf MS-Office basierende Programme; Siebel, PeopleSoft und inzwischen auch SAP bieten Kombinations- und Selektionsmöglichkeiten – auch als Leasing mit monatlicher Rate. Eine aktuelle Übersicht bietet das Fachmagazin Computerwoche unter www.computerwoche.de: Sie geben Ihre gewünschten Kriterien in eine Fragemaske ein und erhalten Vorschläge sinnvoller CRM-Programme zur Auswahl.
DIY-Lösungen
Sie können Ihre Kontakte aber auch mit einer „Do-It-Yourself“-Lösung managen, z. B. via ww.google.com/mail/help/intl/de/about.html – das spart Ausgaben für Software und viel Speicherplatz auf dem Rechner: Ihre Daten werden extern auf einem Speicher gehostet und sind (hoffentlich) nur für Sie greifbar, über Nutzername und Passwort. Im Allgemeinen ermöglichen diese Tools und Communities es übrigens, dass Sie andere registrierte Benutzer mit Ihrem Adressbuch abgleichen und gegebenenfalls Ihre Kontakte automatisch in Ihr neues „Adressbuch“ übernehmen – z. B. aus AOL oder MS-Outlook.
Wenn Sie eher vorsichtig sind, was das Hinterlegen Ihrer Daten und Kontakte „irgendwo im Internet“ betrifft, dann wählen Sie die Büro-Software, mit der Sie Ihre Daten ohnehin pflegen: Excel oder Outlook bieten meist genügend Möglichkeiten, um erfasste Daten nach Stichworten oder Kategorien zu selektieren und zu sortieren. Zwar ist Outlook primär ein Mail- und Excel ein Kalkulationsprogramm. Doch wenn Sie sich beide Lösungen näher anschauen, stoßen Sie auf interessante Informationen auch zum Kontaktmanagement.
Erfolgschancen abwägen
Konzentrieren Sie sich bei Ihrer Nebenbei-Akquise auf die „Best chance“, also darauf, zuerst die „A-Kontakte“ anzusprechen und B sowie C hintenanzustellen. Denn natürlich ist es sowohl mental als auch organisatorisch einfacher zu realisieren, einige wenige Telefonate oder auch E-Mails zu planen, durchzuführen und nachzufassen, als dies mit mehreren hundert zu tun.
Damit Sie sich beim Gespräch mit Ihrem „Topp-Wunsch-Kandidaten“ einfach hundertprozentig sicher sind, optimal zu verhandeln, sprechen Sie zunächst jenen Kontakt an, der für Sie in der Wahrscheinlichkeit eines Auftrags an dritter Stelle steht, dann die Nummer 2, und dann erst folgt die Nummer 1.
Hanspeter Reiter, Trainer, Berater und Marketing-Experte mit dem Schwerpunkt „mehrstufiger Verkauf erklärungsbedürftiger Dienstleistungen“. www.reiter-medienconsulting.de
Der Artikel basiert auf dem im Verlag BusinessVillage erschienenen Buch „Allein erfolgreich – Akquise einfach so n e b e n b e i “ v o n Hanspeter Reiter. 119 Seiten, 21,80 €.