„Stil und Etikette sollen authentisch wirken“
Adolph Freiherr von Knigge (1752–1706) hat einmal gesagt: „Tue nichts im Verborgenen, dessen du dich schämen müsstest, wenn es ein Fremder sähe. Handle weniger anderen zum Gefallen, als um deine eigene Achtung nicht zu verscherzen, gut und anständig!“ Stil und Etikette sollen also authentisch wirken – man muss sie leben.
Welche Regeln heute noch gelten, sagt die Düsseldorfer Erfolgstrainerin Sibylle May
Pünktlichkeit
Menschen warten zu lassen bedeutet, respektlos mit deren Zeit umzugehen.
Wir sprechen zwar von der „akademischen Viertelstunde“, hier kommt es aber darauf an, wann und wo der Termin ist. Im Business lasse ich niemanden auch nur eine Minute warten. Gibt es eine unvermeidliche Verzögerung, auf jeden Fall anrufen.
Distanz einhalten
Hohe Sensibilität erfordert der Raum eines Menschen. Unterschreiten Sie nicht den gebotenen Mindestabstand zu Ihrem Gesprächspartner. Man unterscheidet vier Distanzzonen: Die persönliche beträgt mindestens 50 cm bis ein Meter – in diesem Bereich werden zum Beispiel Gespräche unter (gleichgestellten) Kollegen geführt. Die gesellschaftliche Distanz beträgt mindestens ein bis zwei Meter. In dieser Entfernung sprechen wir mit Fremden oder höherrangigen Personen. Die öffentliche Distanz beträgt zwei Meter und mehr. Sie gilt zum Beispiel bei öffentlichen Reden („Publikumszone“). Die intime Distanzzone beträgt 50 cm und wird nur Freunden, Partnern und Familie gewährt.
Ausreden lassen
Jemanden im Gespräch zu unterbrechen, ist unhöflich. Wenn allerdings die Zeit sehr drängt oder der Gesprächspartner allzu weit ausholt, dürfen Sie ihn mit seinem Namen ansprechen. Er wird daraufhin eine kurze Pause einlegen, die Sie nutzen können, um ihn höflich darum zu bitten, schneller „auf den Punkt“ zu kommen.
Blickkontakt
Schauen Sie Ihrem Gegenüber beim Grüßen und beim Gespräch in die Augen, signalisieren Sie damit Ihr Interesse.
Korrekte Begrüßung
Wenn Sie wissen, wer wen grüßt, zeigen Sie damit Ihre Souveränität auf dem Alltagsparkett. Und so ist es richtig: Im Business geht es nach Hierarchie: Sie grüßen Ihren Chef. Das Gebot „Ladies first“ wurde fürs Geschäftsleben aufgehoben, im Privatleben wird es nach wie vor angewandt. Hier gibt übrigens die Dame dem Herrn die Hand – im Business geht das Handschütteln nach der Hierarchie.
Generell gilt: Damen sind bei gesellschaftlichen Anlässen höher in der Rangordnung als Männer; Ältere sind ranghöher als Jüngere; Ausländer ranghöher als Inländer; Mitarbeiter fremder Unternehmen ranghöher als die eigenen Mitarbeiter. So stellen Sie Menschen einander vor: einen Bekannten einem Amtsinhaber, einen Manager mittlerer Position einem Manager mit einer höheren Position; einen Kollegen einem Kunden, Ihren Chef einem Kunden; Ihren Lebenspartner Ihrem Chef. Tipp: Sagen Sie ein paar Worte über die Personen.
Small Talk – Ballspiel der Könige
„Erzählen Sie uns etwas Amüsantes, aber nichts Boshaftes“, sagte die Frau des Gesandten zum Diplomaten in Leo Tolstois „Anna Karenina“. Der Small Talk soll tatsächlich ein Türöffner sein. Das bedeutet: Die eigentlich spannenden Themen – Krankheit, Politik, Religion, Moral, Firmenklatsch – sind keine Small-Talk-Themen! Fazit: Viel „Public-Life“, etwas weniger „Privat-Life“, ganz wenig „Secret-Life“. Wer’s beherrscht, strahlt soziale Kompetenz aus.
Angemessene Kleidung
Mit den textilen Signalen setzen Sie deutliche Zeichen der Wertschätzung gegenüber Ihrem Gesprächspartner und dem Anlass.
Wobei „overdressed“ ebenso negativ wirken kann wie „badly-dressed“. Als Fauxpas bei der Business-Bekleidung gilt: ungepflegte Gesamterscheinung, Make-up (zu viel oder gar nicht), sichtbare Piercings, Tätowierungen, High Heels, zu viel nackte Haut, sichtbare Wäsche, Accessoires (billig oder zu viel).
Besucher- und Gästeempfang
Als Gastgeberin weisen Sie Ihren Gästen den Weg. Kommentieren Sie dabei kurz, was Sie vorhaben. Die ranghöchste Person hat stets Vortritt, unabhängig von Alter und Geschlecht. Sie öffnen die Tür und lassen die wichtigste Person vorausgehen. Sie gehen links und nehmen den Gast an Ihre starke rechte Seite. Die Treppe hinauf geht Ihr Gast vor, hinunter immer der Gastgeber – für den Fall des Falles.
SIBYLLE MAY, Jg. 1952, war zunächst Stewardess, ließ sich später zur Fremdsprachenkorrespondentin ausbilden und war 18 Jahre lang im Vertrieb und Marketing internationaler Konzerne tätig. Sie absolvierte zahlreiche Schulungen und Trainings und gründete 1991 ihr eigenes Beratungsbüro. Ihre Schwerpunkte sind u.a. Personalberatung, Bewerber- und Karriereberatung und Anti-Stress- Training. May ist Autorin zahlreicher Bücher und seit 2009 Sachverständige im Fachbeirat der Stiftung Warentest für Seminare.
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