Immer wieder hört man Meinungen, dass eine sprachliche Darstellung im Konjunktiv ganz furchtbar wäre und dass Formulierungen im Konjunktiv nicht mehr zeitgemäß seien. In verschiedenen Situationen wird der Gebrauch des Konjunktivs verteufelt. Grund genug, an dieser Stelle eine Erörterung der Problemlage vorzunehmen.
Was stellt der Konjunktiv grammatikalisch dar?
Welche Einsatzmöglichkeiten gibt es?
Wo sind die Stolperstellen bei der Verwendung des Konjunktivs?
ZUR BEGRIFFSKLÄRUNG
Der Konjunktiv (Möglichkeitsform) ist eine grammatikalische Kategorie, mit der der Blickwinkel auf die Wirklichkeit vermittelt wird. Diese Kategorie ist an das Verb (Tätigkeitswort) gebunden. Neben dem Konjunktiv gibt es u. a. die grammatische Kategorie Indikativ (Wirklichkeitsform).
Er kommt nach Hause.
Indikativ: Sie drücken damit aus, dass derjenige wirklich nach Hause kommt.
Er komme nach Hause.
Konjunktiv: Bei dieser Aussage ist nicht ganz klar, ob er nach Hause kommt. Es besteht eine Möglichkeit.
Er käme nach Hause.
Konjunktiv: Bei dieser Formulierung ist die Wahrscheinlichkeit, dass er nach Hause kommt, gering.
Neben der verbspezifischen Kategorie Konjunktiv gibt es weitere sprachliche Mittel, eine Möglichkeit auszudrücken.
Er kommt vielleicht (eventuell, in der Regel, bestimmt, …) nach Hause.
Die grammatische Kategorie Konjunktiv kann in allen Zeitformen gebildet werden, wobei in den Zukunftsformen die Bildung nicht notwendig ist. Die Zukunftsformen (Zum Beispiel: Er wird nach Hause kommen.) drücken bereits eine Möglichkeit aus.
ANMERKUNGEN ZU DEN KONJUNKTIVFORMEN
1. Die Konjunktivformen vom Präsens und vom Perfekt bezeichnet man in der Grammatik als Konjunktiv I. Die Formen von Präteritum und Plusquamperfekt werden als Konjunktiv IIbezeichnet.
2. Die Konjunktivformen vom Präteritum (Sie führe mit dem Bus.) klingen in der Gegenwartssprache oft etwas altertümlich. Im modernen Sprachgebrauch werden diese Formen in der Regel mit „würden“ umschrieben (Sie würde mit dem Bus fahren.).
3. Je weiter man bei den Konjunktivformen in die Vergangenheit geht, desto unwahrscheinlicher wird die Aussage.Bei der Formulierung „Sie fahre mit dem Bus.“(Präsens) besteht zumindest eine Chance, dass Sie dieses Verkehrsmittel nutzt. Bei der Formulierung „Sie wäre mit dem Bus gefahren.“ (Plusquamperfekt) gehen wir davon aus, dass sie real nicht mit dem Bus gefahren ist. Das heißt, wir sprechen in der Grammatik von einer Irrealität (Nichtwirklichkeit).
ANWENDUNGEN DES KONJUNKTIVS
Konjunktiv I
1. Die Hauptverwendung des Konjunktivs I besteht in der Darstellung der direkten Rede in indirekter Rede, zum Beispiel in einem Protokoll.
Beispiel: Person XY
„Ich war zur Tatzeit nicht am Tatort.“
Im Konjunktiv: Die Person XY sagt, dass sie zur Tatzeit nicht am Tatort gewesen sei.
Mit der Darstellung im Konjunktiv ersparen Sie sich eine Festlegung auf die Wirklichkeit. Mit dem Konjunktiv (Möglichkeitsform) ziehen Sie etwas in Erwägung. Ob es wirklich so ist, müssen andere feststellen, in dem genannten Beispiel der Richter beim Gerichtsprozess. Beachten Sie bitte, dass die einleitenden Verben in der Zeitstufe Präsens stehen. Das liegt im dokumentarischen Schreibstil des Protokolls begründet.
2. Eine weitere Einsatzmöglichkeit besteht in der Wiedergabe einer Kundenmeinung.
Beispiel: Briefbeginn
Sie teilten uns mit, dass die Lieferung unvollständig gewesen sei.
Mit dieser Möglichkeitsform vermeiden Sie im Vorfeld Schuldzuweisungen an den anderen oder auch eine Schuldübernahme durch das eigene Unternehmen. Ob die Lieferung wirklich unvollständig war oder vielleicht ein Missverständnis vorliegt, muss eine Prüfung ergeben.
Mit der Wiedergabe der Kundenmeinung zeigen Sie jedoch an, dass Sie den Kunden verstanden haben und dass Sie ihn ernst nehmen mit seinem Anliegen.