Raus aus dem Hamsterrad – diesen Wunsch hört Doris Strozny oft in ihrer Praxis.
Die Bremerin (53) ist Coach und Mediatorin und hat sich unter anderem auf das Thema Burnout spezialisiert. Autorin Inken Fügmann sprach mit ihr über Wege aus der Stressfalle, typische Fehler und neue Chancen. Wann ist der richtige Zeitpunkt, mal über den eigenen Stresspegel nachzudenken? Doris Strozny: Jetzt. Die meisten tun das leider erst, wenn sie bereits unter den gesundheitlichen Folgen von Dauerstress – wie Nervosität, Magen- oder Rückenschmerzen – leiden. Dabei könnte man schon viel verändern, wenn eine vertraute Person zum ersten Mal mahnt: „Du hast ja kaum noch Zeit…“
Eigentlich ist es vollkommen logisch, dass eine Balance zwischen Job und Privatleben herrschen muss. Warum ist das so schwer? Weil das oft ein langer Prozess ist. Anfangs macht es Spaß, sich voll in den neuen Job zu konzentrieren. Anerkennung und Erfolg sind unsere größten Motivatoren und es tut gut, von Dritten zu hören: „Toll, wie du das alles schaffst!“ Natürlich gibt man ungern zu, nicht alles locker zu bewältigen. Man muss eine Schwäche eingestehen… Wie mache ich das ohne das Gefühl, mein Gesicht zu verlieren? Ich bitte meine Klienten um eine Stressanalyse. In dieser sollen sie genau aufschreiben, wie ihr Alltag aussieht und welche Aufgaben zu bewältigen sind. Da kommen häufig komplett durchgetaktete Tagesabläufe heraus – ohne Pufferzonen, ohne Zeit für Regeneration, Freizeit und Spaß – dabei wird sichtbar, dass die eigenen Ansprüche viel zu hoch sind.
Und dann? Eine Patentlösung gibt es nicht. Jeder muss für sich beantworten, welche Rolle der Job spielen soll und welche Kraftquellen ihm Energie geben. Manchmal sind es schon Kleinigkeiten, die den Alltag entzerren: regelmäßig ein Babysitter, eine Putzhilfe oder der Abschied von vermeintlichen Pflichten. Viele kleine Stellschrauben, die das große Ganze verändern. Das größte Thema aber ist, „Nein“ sagen zu können. Das ist gerade gegenüber einem fordernden Chef nicht leicht. Das ist nie leicht, aber man kann es lernen. Das erste Versuchsobjekt sollte natürlich nicht der Vorgesetzte sein. Auch außerhalb des Berufslebens kann man sich Freiräume schaffen, und zwar immer dann, wenn einem die innere „rote Lampe“ signalisiert: Achtung, es wird zu viel! Die Freundin/ der Freund braucht einen Kummerkasten, der Nachbar einen Chauffeur, die Schule einen Kuchen fürs Klassenfest – klar sind das Kleinigkeiten, aber sie kosten oft mehr Zeit, als man denkt. Fehlt diese, ist ein freundliches, aber klares „Nein“ angebracht.
Relativ schnell wird man bemerken, dass es gut tut, die Bedürfnisse Dritter nicht höher als die eigenen zu werten. Das steigert die Motivation und nicht zuletzt das Selbstbewusstsein. So gestärkt kann man auch Vorgesetzten gegenüber – gut begründet – „Nein“ sagen. Aber fürchten nicht viele, dann ausgebootet zu werden? Das ist auf jeden Fall ein Irrtum, denke ich. Denn wem trauen Sie mehr zu: einem Menschen, der bis zur Selbstaufgabe arbeitet oder einem, der klare Grenzen setzt? Stimmt, Kompetenz und Selbstaufgabe passen nicht zusammen. Wie lautet Ihr Tipp, wenn nach Feierabend der Kopf doch mal im Büro bleibt? Dann sollte man konsequent versuchen, die Aufgaben während der Arbeitszeit zu lösen. Geht das nicht, müssen ungelöste Punkte auf die To-do-Liste für den nächsten Tag gesetzt werden. In Ausnahmefällen ist es in Ordnung, dass sich Berufl iches und Privates überschneiden, jedoch sollte sich die Balance hierbei nie ins Ungleichgewicht bewegen.
Wie machen Sie das? Ich mache Pausen, beispielsweise bei einer schönen Tasse Kaffee an der Weser, ganz bewusst, ohne Handy, Blackberry etc. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist der Austausch mit Kollegen, um Feedback zu bekommen und um refl ektieren zu können. Aber auch eine Reise in eine andere Stadt oder ein anderes Land helfen dabei. Basis für alles ist jedoch eine realistische Zielsetzung. Das allein ist schon ein guter Schutz vor dem Hamsterrad – denn wer ein Ziel ansteuert, dreht sich nicht im Kreis.